Eine laute Stille


Wir schlafen – aber nicht den Schlaf der Gerechten. Eher den Schlaf der Apathischen. Verschlafen all das, was für uns, unsere Kinder und Enkel von großer Bedeutung ist – und sein wird.

Aber ich fange dort an, wo ich mich nach der Amtseinführung von Trump, seiner Rede und den Plänen, dem Project 2025, befunden habe: bei Wut, Enttäuschung, bei Verzweiflung und einer nicht zu beschreibenden Ohnmacht.
Politisch werde ich nicht im Einzelnen darauf eingehen, was uns bevorsteht. Jeder weiß es, oder besser: Jeder sollte es wissen!

Vielmehr ist es erschütternd, zu sehen, wie wenige Menschen es offensichtlich interessiert. Ich öffne die »sozialen« Medien. Erwarte Meinungen, Entsetzen. Ich rechne fest mit Befürchtungen – bei allem, was spürbar in der Luft liegt. Damit lag ich falsch. Jeder machte weiter. Einfach so. Postete sein Essen, seine Tiere, seine Fotos aus Flora und Fauna, die Kreativen ihre Werbung, ihre Erfolge, ihre eigenen Pläne. Die nur funktionieren, wenn es bleibt – wie es ist. Drei Meinungen dazu, die mir beim Scrollen und Scrollen nahezu stolz entgegenblickten. Sodass ich beinahe ehrfürchtig erstarrte.

Ansonsten eine fürchterlich laute Stille.

Das Dilemma wiederholte sich, als ich ein anderes »soziales« Medium öffnete. Ein einziger Status zeugte von Bestürzung. Ansonsten auch hier – eine fürchterlich laute Stille.

Ich weiß nicht, was mich ängstlicher werden lässt. Das, was geschieht – oder das, was nicht geschieht. Oder beides?

Nun stelle ich mir die Frage: Wann sind wir so geworden? So leise. So unbeteiligt. Gleichgültig. Unempathisch. So wenig miteinander. So unglaublich resigniert.

Was ist es? Sind wir müde? Wurden wir »stillgelegt«?

 

Halt. Nicht andere tragen die Verantwortung für das, was wir tun oder nicht tun. Wir selbst tragen sie. Jeder Einzelne. Und jeder muss seinen Nachfahren vielleicht eines Tages Rede und Antwort stehen. Vielleicht fragen sie: »Was habt ihr damals dagegen unternommen?« oder »Was habt ihr uns für ein Erbe hinterlassen?«

Andere Aspekte kommen dazu, dass ich diesen Artikel verfasse.  Nur jene aus den letzten Wochen:

Magdeburg, der Messerangriff von Aschaffenburg.

Vieles mehr in den letzten drei/vier Jahren, über das man mit ein klein wenig Menschlichkeit zumindest einige Worte verlieren sollte. Menschen sind gestorben! Sind aus der Mitte ihrer Lieben herausgerissen worden.

Stille. Eine fürchterlich laute Stille.

Wir sind Menschen – jawohl. Und Menschen sind soziale Wesen, die nur im Miteinander und über Zusammenhalt und Mitgefühl bestehen können. Wollen wir zulassen, dass wir uns von all dem entfernen?

Ein unübersehbarer Absturz unserer aller Anteilnahme am Leben anderer Menschen ist besorgniserregend.

Ich kann nicht aufhören: Jedes Mal - Social Media: fast nichts. Jeder machte weiter. Einfach so. Als wäre nichts. Dabei ist so viel!

Um Himmels willen – ich erwarte keinen Defätismus! Gerade in solchen aufwühlenden Zeiten gewinnt die Bedeutsamkeit der erfreulichen Dinge – und das soll sie auch. Aber nicht einmal rudimentär eine Reaktion? Sogar kaum welche von denen, die innerhalb der Kleinkunst eine gewisse Verpflichtung tragen, mit einem Statement zum Weltgeschehen zu den Menschen, die ihnen zuhören, vorzudringen?

Die 60er und 70er sind vorbei, stimmt. Aber ich sehne mich nach denen, die ihren Mund aufmachen – sei es in Form von Statements, Liedern, Gedichten. Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung und gerade diese werden schnell verbreitet. Aber wir nutzen es nicht mehr.

Ich machte mir die Mühe und sah bei denen nach, die sich als ausgesprochen Linke definieren. Die müssten sich zumindest zu Trump äußern, wenn schon nicht zu allen anderen Tragödien. Dachte ich.

Auch dort ging es so weiter wie bisher: Rabiate Anti-AfD-Grafiken, Hetze gegen Wagenknecht und so weiter und so fort. Mir schmerzen die Augen, mir wird schwindlig. Als ob ich ihnen zusehe, wie sie sich drehen und drehen – wie in einem Hamsterrad.

Ist das alles, was ihr unter eurer linken politischen Meinung versteht? Wie sieht es mit dem globalen Nationalsozialismus aus, mit der Gefahr der Radikalisierung? Haben sich die Linken auf die Gleise der nichtssagenden Polemik gegen – einzig und allein – die AfD verschrieben? Und so kommen wir weiter? Das bringt uns genau - was?

Bevor ich wider meiner einführenden Worte doch noch politisch werde, komme ich zurück zur Intention meines Artikels:

Was ist passiert, dass uns nichts mehr zu berühren, zu interessieren scheint. Wann haben wir aufgehört, zuzuhören, nachzudenken, mitzufühlen und zu kämpfen?


Warum sind wir so fürchterlich still geworden?